Die schmerzhaften Wahrheiten im Mittelstand
- und warum sie der Schlüssel zur Zukunft sind
Der deutsche Mittelstand steht an einer historischen Weggabelung.
Nicht, weil er schwach wäre.
Sondern weil die Spielregeln sich schneller verändern, als robuste, stolze und hochspezialisierte Unternehmen traditionell reagieren.
Wer — wie ich — in den letzten 20 Jahren in verschiedenen international tätigen mittelständischen Industrieunternehmen gearbeitet hat, vor allem im Automotive- und Manufacturing-Umfeld, kennt die DNA:
Ingenieurskunst. Verantwortung über Generationen. Präzision. Qualität. Handschlaglogik.
Und wer zugleich die Chance hatte, in einem Familienunternehmen zu arbeiten, das sich aktiv in Richtung Kreislaufwirtschaft transformiert, erkennt:
Die eigentliche Transformation ist weniger technologisch — sie ist kulturell, strukturell und strategisch.
Dieser Beitrag will nicht mahnen.
Er will wachrütteln — und Mut machen.
1. Die Realität 2025: Transformation ist keine Option. Sie ist strategische Notwendigkeit.
Die Daten sprechen eine deutliche Sprache:
Über 70 % der Mittelständler kommen laut KfW im Tagesgeschäft nicht zu strategischer Transformation.
Bis 2030 gehen 5 Mio. Fachkräfte in Rente (IAB).
Energiekosten liegen im Mittelstand im Schnitt 24 % über dem Niveau von 2019 (BMWK).
80 % sehen KI als Chance — aber nur 15 % setzen sie wirklich ein (Bitkom).
Ein Drittel der Hidden Champions verliert Marktanteile durch veraltete digitale Prozesse (BCG).
Das ist kein Organisationsversagen. Aber die Strukturen spielen eine wichtige Rolle. Diese Zahlen sind vielmehr die Folge von Geschäftsmodellen, die jahrzehntelang erfolgreich waren — und dabei drohen den Anschluss an innovative, technologische und organisatorische Fortschritte zu verpassen.
2. Fünf schmerzhafte Wahrheiten – die kein (Vor-)Urteil, sondern ein Startpunkt sind
Diese Wahrheiten benennen, was viele spüren — in Unternehmen jeder Größe und Branche.
Und sie werden durch reale Beispiele greifbar.
Wahrheit 1: Transformation scheitert selten an Technologie — sondern an Struktur und Mut.
Tools sind nicht das Problem.
Entscheidungswege, Rollenverteilung, Governance, Ownership und Mut — das ist der eigentliche Engpass.
Case Study: Leoni – ein erzwungener Pivot im Automotive Mittelstand
Leoni, einer der größten Bordnetzhersteller weltweit, wurde von Marktveränderungen eingeholt:
extreme Komplexität und geringe Margen
globale Lieferkettenrisiken
Wandel in der E-Mobilität
steigende Material- und Energiekosten
fehlende Fokussierung auf neue Geschäftsmodelle
Leoni sah sich gezwungen, Teile des Geschäfts zu verkaufen, umzubauen und ein Schutzschirmverfahren einzuleiten.
Das ist kein Scheitern, sondern ein Pivot unter Druck — typisch für Branchen, die schneller disruptiert werden, als Strukturen reagieren.
Case Study: Trumpf – mutige Strukturarbeit statt Krisenmodus
Trumpf investierte früh in digitale Plattformen, softwarebasierte Produktionssysteme und klare Entscheidungsarchitekturen.
Nicht aus Not, sondern aus Weitsicht.
Ein Beispiel dafür, dass frühzeitiger Mut Strukturen rettet, bevor Märkte sie überrollen.
Wahrheit 2: Das Tagesgeschäft frisst die Zukunft.
Alle wissen es, aber kaum jemand schafft es:
Vom Operativen in den strategischen Modus zu wechseln.
Case Study: Viessmann – erfolgreiche Transformation mit globaler Partnerschaft
Viessmann erkannte früh, dass fossile Heizsysteme ein Auslaufmodell sind — und startete eine der mutigsten Transformationen im deutschen Familienunternehmertum:
Fokus auf Wärmepumpen, Klima- und Energiesysteme
Aufbau digitaler Energiedienstleistungen
Neupositionierung als Systemanbieter
Milliarden-Deal mit US-Partner Carrier zur Skalierung
Das war kein Notverkauf, sondern eine strategische Transformation, um die Energiewende aktiv mitzugestalten und global zu skalieren.
Wahrheit 3: Führung ist überlastet — und soll Transformation „nebenbei“ managen.
Strategische Transformation nebenbei zu managen ist unrealistisch.
Case Study: Tengelmann/Kaiser’s – wenn strategische Orientierung fehlt
Über Jahre gab es unklare Zukunftsstrategien, Führung war im Krisenmodus gefangen, operative Themen dominierten.
Am Ende: Zerschlagung.
Case Study: Festo – Leadership & Struktur als Zukunftsbooster
Festo investierte systematisch in Führung, Kultur und Automatisierung — und zeigt, dass Transformation nur gelingt, wenn Führung entlastet und entwickelt wird.
Wahrheit 4: Innovation ist da — aber sie verpufft ohne Scaling-Mechanik.
Der Mittelstand ist innovativ.
Aber Innovation erreicht oft nicht den Markt.
Case Studies: Hidden Champions, die Transformation unterschiedlich meistern
Wittenstein SE – stille Transformation in die Mechatronik- und KI-Zukunft
Wittenstein aus Baden-Württemberg ist ein globaler Spezialist für hochpräzise Antriebstechnik:
frühe Investitionen in Digital Twins
smarte Getriebe mit IoT-Sensorik
Aufbau einer vernetzten Smart Factory
Diversifikation in Robotik, Aerospace & MedTech
Wittenstein zeigt:
Transformation muss nicht laut sein.
Sie muss konsequent sein.
J. Schmalz GmbH – vom Vakuumkomponentenbauer zum digitalen Automationsanbieter
Schmalz aus dem Schwarzwald ist Weltmarktführer in Vakuumtechnik — und ein Musterbeispiel für Mittelstandsinnovation:
früher Shift Richtung Robotik
Aufbau digitaler Services und IoT-fähiger Produkte
konsequente Nachhaltigkeitsstrategie
Kultur, die Eigenverantwortung stärkt
Das Unternehmen beweist, dass Digitalisierung + Nachhaltigkeit skalieren — ohne Identitätsverlust.
Phoenix Contact – das Ökosystem „All Electric Society“ als Transformationsmotor
Phoenix Contact zeigt, wie ein 100-jähriges Familienunternehmen sich komplett neu positioniert:
vom Komponentenhersteller zum Systemanbieter
Investitionen > 200 Mio. € jährlich in F&E
Entwicklung einer Vision für eine vollständig elektrische, nachhaltige Welt
Lösungen für Smart Grids, Ladeinfrastruktur, Energiemanagement
Ein Hidden Champion, der die Energiezukunft aktiv baut, statt auf Politik oder Markt zu warten.
5. Wie ziehen wir unseren Nutzen daraus?
Die Fallbeispiele zeigen, dass Transformation kein schwarz-weiß ist von „Gelingen“ oder „Scheitern“. Vielmehr gibt es unterschiedliche Ausprägungen, die es gilt zu unterscheiden:
erzwungene Pivots (Leoni)
freiwillige, mutige Transformationen (Viessmann)
stille, systematische Zukunftsarbeit (Wittenstein)
digitale + nachhaltige Neuausrichtungen (Schmalz)
visionäre Geschäftsökosysteme (Phoenix Contact)
Der Mittelstand hat aktuell noch die Chance proaktiv zu handeln und dabei die eigenen Stärken in den Vordergrund zu rücken. Dabei ist der Grad an Gestaltungsfreiraum abhängig von der aktuellen internationalen Marktposition des Unternehmens, aber auch der Kunden und Zielmärkte (der Zukunft)
6. Die Hypothese: Die nächsten fünf Jahre entscheiden, wer 2035 noch Marktführer ist
Das Momentum hat selten dagewesene Kraft:
KI verändert Wertschöpfung grundlegend
Energiewende erzwingt neue Geschäftsmodelle
Demografie verrückt die Produktivitätslogik
globale Wettbewerber skalieren schneller als Europa regulieren kann
Transformation ist kein „Projekt“. Sie ist eine Führungsdisziplin — und die wichtigste des Jahrzehnts.
Der Mittelstand hat keine Zeit zu verlieren — und gute Chancen in der Zukunft
Der Mittelstand hat alles, was er braucht: Know-how, Tiefe, Verantwortung und eine Kultur, die langfristiges Denken ermöglicht. Jetzt geht es darum, diese Stärken so zu organisieren, dass sie auch in einem dynamischen Umfeld Wirkung entfalten.
Transformation heißt nicht „Neuanfang“, sondern Weiterentwicklung — strukturiert, entschlossen und mit Blick für neue Chancen.
Die nächsten Jahre bieten die Möglichkeit, Wachstum neu zu definieren, Organisationen resilienter zu machen und technologische Innovationen sinnvoll einzusetzen.
Wenn Sie diesen Prozess aktiv gestalten wollen, begleite ich Sie mit Klarheit, Struktur und einem klaren Fokus auf nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.

